Personenstand

Von Katrin Niedenthal (Rechtsanwältin, Bielefeld)

In Deutschland gibt es den Sammelbegriff Personenstand. Damit sind alle Daten über Geburt, Eheschließung (Lebenspartnerschaft) und Tod und damit in Verbindung stehende familien- und namensrechtliche Daten gemeint. Zur Erfassung des Personenstandes gibt es verschiedene Register, z. B. das Geburten-, Ehe- und Sterberegister.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 10.10.2017 festgestellt, dass der Geschlechtseintrag einer Person eine identitätsstiftende und -ausdrückende Wirkung hat. Aus diesem Grund ist auch die personenstandsrechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität von intergeschlechtlichen Menschen grundrechtlich geschützt.

Bei Geburt

Eltern müssen nach der Geburt eines Kindes innerhalb von einer Woche[1] bei dem Standesamt verschiedene Angaben machen und dabei auch das Geschlecht des Kindes angeben.[2] Diese Daten werden dann in das Geburtenregister und in die Geburtsurkunde eingetragen.

Wenn das Kind weder dem „weiblichen“ noch dem „männlichen“ Geschlecht zugeordnet werden kann, kann der Geschlechtseintrag offengelassen oder die Geschlechtsbezeichnung „divers“ eingetragen werden.[3]

Leider wissen nach wie vor viele Menschen nicht, dass es die Möglichkeit gibt, den Geschlechtseintrag offen zu lassen oder „divers“ eintragen zu lassen. Eltern fühlen sich häufig unter Druck gesetzt, gleich nach der Geburt „männlich“ oder „weiblich“ als Geschlechtsangabe des Kindes eintragen und/oder sogar geschlechtsverändernde Operationen an ihren intergeschlechtlichen Kindern durchführen zu lassen (vgl. hierzu Text zu „Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“).

Manche Standesämter fordern für das offenlassen des Geschlechtseintrag oder den Eintrag divers einen medizinischen Nachweis darüber, dass das Kind weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann.

Wenn es keinen solchen Nachweis gibt, z.B. weil Ärzt*innen sich mit Intergeschlechtlichkeit nicht auskennen oder dem Standesamt der Nachweis nicht genügt, wird bei der Ersteintragung des Kindes das Geschlecht eingetragen, das das Krankenhaus/die Geburtshelfer*innen angegeben haben.

Sollte diese Eintragung nicht zutreffend sein, gibt es die Möglichkeit für die Eltern des Kindes, eine Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrages nach dem Selbstbestimmungsgesetz abzugeben und damit den Geschlechtseintrag und Vornamen wieder ändern zu lassen.

Änderung des bestehenden Geschlechtseintrages

Bisher gibt es verschiedene Verfahren, um den Geschlechtseintrag und Vornamen einer Person im Personenstandsregister ändern zu lassen, und zwar das Verfahren nach § 45b Personenstandsgesetz (PStG) und nach dem sog. Transsexuellengesetz (TSG). Diese Paragraphen treten ab dem 01.11.2024 außer Kraft.

Im April 2024 wurde das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) verabschiedet. Im Gegensatz zu den bisherigen Verfahren gilt das SBGG für alle – egal ob jemand eine binäre oder nicht-binäre Geschlechtsidentität hat und egal ob jemand trans- oder intergeschlechtlich ist.

Mit dem SBGG können alle Personen (Einschränkungen z.B. für Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft – siehe unten) ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern lassen, wenn ihre Geschlechtsidentität und Vornamen nicht zu dem Eintrag in den deutschen Personenstandsregistern passen.

Die angegebene Geschlechtsidentität wird dabei nicht mehr von anderen „überprüft“, weder vom Standesamt, noch von Ärzt*innen oder anderen Personen. Es müssen jetzt keine ärztlichen Bescheinigungen oder Gutachten mehr über das Vorliegen einer Variante der Geschlechtsentwicklung vorgelegt werden.

SBGG

Das SBGG tritt zum 01.11.2024 in Kraft. Die Anmeldung für die Abgabe einer Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrages ist bereits ab dem 01.08.24 möglich.

Wie immer bei neuen Gesetzen sind die Details der Umsetzung in der Praxis teilweise noch unklar. Zum jetzigen Zeitpunkt kann hier also nur eine Auslegung des SBGG anhand der Gesetzesbegründung und anderer bisher vorliegender Informationen gegeben werden. Bereits jetzt ist aber schon klar, dass über einige Auslegungen des Gesetzes auch vor Gerichten gestritten werden wird.

Das Verfahren nach dem SBGG sieht für unterschiedliche Personengruppen (z.B. Minderjährige, gesetzlich Betreute, Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit) unterschiedliche Voraussetzungen vor.

Wie läuft das Verfahren?

Das Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrages und Vornamen sieht zwei Schritte vor.

1. Zuerst muss eine Anmeldung (§ 4 SBGG) erfolgen. Die Anmeldung ist mündlich, schriftlich oder online ab dem 01.08.2024 möglich. Da die Standesämter das unterschiedlich regeln, empfiehlt sich eine Nachfrage am konkreten Ort.

Die Standesämter entwickeln momentan Formulare für diese Anmeldung. Diese sehen vor, dass bereits bei der Anmeldung Angaben zu dem gewünschten Geschlechtseintrag und den gewünschten Vornamen gemacht werden. Die bei der Anmeldung gemachten Angaben können im zweiten Schritt auch nochmal geändert werden. 

2. Der zweite Schritt – die Abgabe der Erklärung und Versicherung nach § 2 SBGG – muss nach einer Wartezeit von mindestens 3 Monaten bei demselben Standesamt erfolgen, bei dem auch die Anmeldung abgegeben wurde. Die Erklärung muss zwingend innerhalb von sechs Monaten nach der Anmeldung abgegeben werden. Ansonsten verfällt die Anmeldung und muss neu gemacht werden.

Für die Anmeldung und Beurkundung der Erklärung wird eine Gebühr erhoben. Die Höhe der Gebühren wird voraussichtlich zwischen  15 – 50 € betragen.

Wo kann die Anmeldung und Erklärung abgegeben werden?

Für die Abgabe der Erklärung und Versicherung ist das persönliche Erscheinen vor dem Standesamt erforderlich. Es ist eine Unterschrift erforderlich und man kann sich dabei nicht vertreten lassen (siehe auch zu Minderjährigen oder Betreuten).

Die Anmeldung und Erklärung können bei jedem beliebigen Standesamt abgegeben werden. Beides muss allerdings bei demselben Standesamt passieren.

Die Erklärung wird von dem Standesamt, bei dem man diese abgegeben hat, an das Geburtsstandesamt geschickt. Die abgegebene Erklärung wird wirksam, wenn dort die Änderung in das Geburtenregister eingetragen wird.

Personen, die keinen Geburtenregistereintrag in Deutschland haben, weil sie nicht hier geboren wurden, können die Erklärung bei jedem Standesamt abgeben und diese wird dann vom Standesamt des Wohnortes eingetragen oder vom Standesamt der Eheschließung (falls sie verheiratet sind, gibt es ein Eheregister der Person). Sollte sich weder nach dem Wohnort (oder letztem Wohnort) oder nach der Eheschließung eine Zuständigkeit ergeben, dann ist das Standesamt I in Berlin zuständig (§ 45b Abs. 2 PStG). Wenn jemand die deutsche Staatsbürgerschaft hat und im Ausland lebt, kann die Anmeldung und Erklärung in der deutschen Auslandsvertretung in dem Land abgeben werden, in dem die Person lebt (§ 45b PStG). Die beglaubigte Erklärung wird dann an das Geburtsstandesamt in Deutschland weitergeschickt.

Was muss erklärt werden?

Es muss erklärt werden, welchen Geschlechtseintrag und welchen Vornamen man zukünftig haben will.

Es gibt – wie vorher auch – ausschließlich folgende Möglichkeiten des Geschlechtseintrages in den amtlichen Registern: „divers“, „weiblich“, „männlich“ oder eine ersatzlose Streichung der vorherigen Geschlechtsangabe.

Die Vornamensänderung nach dem SBGG ist an die Änderung des Geschlechtseintrages gekoppelt. D.h. nur eine Vornamensänderung ist nach dem SBGG nicht vorgesehen. Dafür gibt es die Möglichkeit einer Namensänderung nach dem Namensänderungsgesetz (§§ 3,11 NamÄndG). Es handelt sich dabei um ein anderes Verfahren, bei dem ein wichtiger Grund für die Namensänderung vorliegen muss. Die Geschlechtsidentität kann auch ohne Änderung des Geschlechtseintrages nach dem SBGG ein wichtiger Grund sein, um nach dem NamÄndG den Vornamen zu ändern.

Der Vorname muss in der Regel geändert werden, es sei denn, man hat bereits vorher einen geschlechtsneutralen Vornamen und wählt den Geschlechtseintrag „divers“ oder „keinen Eintrag“. Dann darf der Vorname beibehalten werden.

Ansonsten muss ein neuer Vorname gewählt werden, der zu dem gewählten Geschlechtseintrag passt.

Wie genau die Standesämter entscheiden werden, ob ein Vorname zu einer Geschlechtsidentität passt, ist noch unklar und bereits jetzt gibt es Streit darüber.

Es gibt Standesämter, die momentan noch der Ansicht sind, dass die Anzahl der Vornamen nicht verändert werden darf und dass das Hinzufügen eines neuen Vornamens (zum bisherigen) oder das Ablegen eines Vornamens nicht möglich sei. Das steht so aber nicht im Gesetz.

Was muss versichert werden?

Mit der Erklärung des Geschlechtseintrages und Vornamen muss durch eine Unterschrift auf einem Formular versichert werden, dass der gewählte Geschlechtseintrag der Geschlechtsidentität am besten entspricht und man sich der Tragweite der Folgen der Änderung bewusst ist.

Bei der Abgabe der Erklärung für Minderjährige müssen diese bzw. die gesetzlichen Vertreter*innen zusätzlich versichern, dass sie zu dem Thema beraten wurden.

Nochmalige/mehrmalige Änderung oder Rückänderung?

Es ist möglich – nach Ablauf eines Jahres nach einer Änderung des Geschlechtseintrages  – nochmals oder (jeweils wieder nach einem Jahr) mehrmals eine Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrages und Vornamen abzugeben (§ 5 SBGG).

Für Kinder und Jugendliche und Personen, die geschäftsunfähig sind und eine gesetzliche Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt haben, gilt diese Sperrfrist nicht. Dieser Personenkreis kann auch sofort wieder eine erneute Erklärung abgeben.

Wenn durch die nochmalige Erklärung eine Änderung zu einem früheren Geschlechtseintrag beantragt wird, dann wird automatisch auch der früher eingetragene Vorname wieder wirksam. Durch diese Regelung soll eine Umgehung des Namensänderungsgesetzes verhindert werden.

Die Wirkung der Änderung des Geschlechtseintrages und Vornamens:

Nach Eintragung des geänderten Geschlechtseintrages und Vornamen sind ausschließlich diese im Rechtsverkehr ausschlaggebend, wenn es rechtlich überhaupt auf den Geschlechtseintrag ankommt (§ 6 SBGG).

Die bisherigen Einträge in den amtlichen Registern bleiben allerdings erhalten. Es wird jeweils nur ein neuerer aktueller Eintrag hinzugefügt. Und nur der neueste Eintrag findet sich z.B. in dem Auszug aus dem Geburtenregister wieder. Es besteht also kein umfassender Anspruch auf eine Löschung der alten Daten.

Tatsächlich gibt es aber gar nicht so viele Bereiche, in denen es auf den Geschlechtseintrag überhaupt ankommt (bei der Gesundheitsversorgung kommt es z.B. auf die körperlichen Gegebenheiten an, bei der Bewertung sportlicher Leistungen manchmal auf die Hormonwerte usw.) und für einige andere Bereiche sind im SBGG Ausnahmen geregelt (Wehrpflicht, Elternschaft, Quotenregelung).

Im SBGG ist klargestellt, dass Regelungen, die sich bisher auf Frauen und Männer beziehen und für beide binären Geschlechter dieselben Rechtsfolgen vorsehen, für alle Menschen unabhängig von der eingetragenen Geschlechtsangabe im Personenstandsregister gelten (§12 SBGG).

Neue Papiere:

Wenn man nach der Änderung einen aktualisierten Auszug aus dem Geburtenregister haben möchte, muss man dies beim Geburtsstandesamt beantragen.

Das Geburtsstandesamt gibt die Änderung automatisch an die Meldebehörde des Wohnortes der betreffenden Person weiter und dort kann dann ein neuer Personalausweis/Pass beantragt werden.

Wenn man einen diversen oder offenen Geschlechtseintrag hat, dann steht im Reisepass bei `Geschlecht´ ein X.

Wenn man für eine Reise in ein Land, in dem man aus Sicherheitsgründen einen Reisepass benötigt, in dem trotzdem ein binärer Geschlechtseintrag eingetragen ist, kann man bei der zuständigen Behörde des Wohnortes beantragen, dass „männlich“ oder „weiblich“ in den Reisepass eingetragen wird. Allerdings nur, wenn durch ärztliche Bescheinigung nachgewiesen wird, dass eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt.

Personen, die über keine ärztliche Bescheinigung einer erfolgten medizinischen Behandlung verfügen und bei denen das Vorliegen der Variante der Geschlechtsentwicklung wegen der Behandlung nicht mehr oder nur durch eine unzumutbare Untersuchung nachgewiesen werden kann, können dies an Eides statt versichern (§ 4 Abs. 1 Passgesetz).

Bei der Beantragung des binären Geschlechtseintrages im Pass ist das Geschlecht zu wählen, dass früher im Geburtenregister eingetragen war oder das – falls es nie einen binären Geschlechtseintrag gab – einmalig gewählt werden kann.

Bei amtlichen Registern, in denen die Änderung nicht automatisch erfolgt (z.B. Grundbuchamt), kann man die Änderung beantragen.

Außerdem kann man bei öffentlichen oder privaten Stellen beantragen, dass die Angaben zu dem Geschlecht und Vornamen auch auf anderen Dokumenten geändert werden und die Dokumente neu ausgestellt werden, wenn es dafür ein berechtigtes Interesse gibt (§ 10 SBGG). Von einem solchen berechtigten Interesse wird ausgegangen, wenn die Notwendigkeit der Anpassung des Dokumentes zur Erzielung einer Übereinstimmung mit dem geänderten Geschlechtseintrag bzw. Vornamen, also mit den neuen Ausweispapieren, besteht. 

Folgende Dokumente (und damit vergleichbare) können neu ausgestellt werden: Führerschein, Arbeitszeugnis, Schulzeugnis, Arbeitsvertrag, Gesundheitskarte, Besitzstandsurkunden, Bankkarten usw.

Die Neuausstellung von Dokumenten kann bei der Stelle beantragt werden, die das ursprüngliche Dokument ausgestellt hat. Wenn man die Neuausstellung beantragt, sind die alten und zu ändernden Dokumente im Original vorzulegen und werden dann von der Stelle, die die Änderung v vornimmt, einbehalten. Falls das alte Dokument nicht mehr vorhanden ist, muss man eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass es nicht mehr vorgelegt werden kann.

Die Ausstellung geänderter amtlicher Dokumente kostet jeweils eine Gebühr und die Kosten für die Änderung durch private Stellen können ebenfalls in angemessener Höhe gefordert werden.

Was gilt für Menschen, die Änderungen schon nach dem TSG oder PStG gemacht haben?

Die Regelungen des SBGG bezüglich der Wirkung und der Folgen der Änderung des Geschlechtseintrages gelten auch für die Personen, die schon vor dem Inkrafttreten des SBGG die Änderung des Geschlechtseintrages und Vornamen nach dem TSG oder §45b PStG gemacht haben.

Besonderheiten für Minderjährige

Für Minderjährige gibt es je nach Alter unterschiedliche Regelungen für die Abgabe der Erklärung, welcher Geschlechtseintrag und Vorname zukünftig gelten soll (§ 3 SBGG).

Jugendliche, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können die Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrages und Vornamen nur selbst gegenüber dem Standesamt abgeben. Zusätzlich muss die Zustimmung des/der gesetzlichen Vertreter*in erklärt werden.

Sollte die Zustimmung von den Sorgeberechtigten verweigert werden, wird das Familiengericht vom Standesamt eingeschaltet und ersetzt die Zustimmung, wenn die Änderung des Geschlechtseintrages und Vornamen dem Wohl der Jugendlichen nicht widerspricht.

Dasselbe gilt, wenn die (beide sorgeberechtigten) Eltern sich nicht einigen können, ob die Zustimmung erteilt werden soll. Das Familiengericht kann dann auf Antrag – wenn es dem Wohl des Kindes nicht widerspricht – das Sorgerecht für den Zweck der Abgabe der Erklärung auf einen Elternteil übertragen.

Die jugendliche Person muss mit der Unterschrift unter dem Formular versichern, dass sie vor Abgabe der Erklärung beraten wurde.

Dier Beratung kann von allen Stellen, die dazu fachlich geeignet sind, durchgeführt werden, insbesondere sind das (§ 3 Abs. 1 SBGG):

– Personen die eine psychologische, kinder- und jugendlichenpsychotherapeutische oder – psychiatrische Berufsausbildung haben.

– öffentliche und freie Träger der Kinder – und Jugendhilfe.

Bei Kindern jünger als 14 Jahre oder bei geschäftsunfähigen Jugendlichen, können nur die gesetzlichen Vertreter*innen die Erklärung beim Standesamt abgeben.

Ist für ein Kind eine Vormundschaft bestellt, muss eine Genehmigung zur Abgabe der Erklärung beim Familiengericht eingeholt und erteilt werden, wenn die beabsichtigte Erklärung dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. 

Um zu verhindern, dass eine Erklärung gegen den Willen eines minderjährigen Kindes abgegeben wird, muss ein Kind ab Vollendung des 5. Lebensjahres bei der Abgabe der Erklärung ebenfalls beim Standesamt anwesend sein und das Einverständnis mit der Änderung des Geschlechtseintrages und Vornamen erklären.

Die gesetzlichen Vertreter*innen haben bei Verfahren für Kinder oder geschäftsunfähige Minderjährige mit ihrer Unterschrift zu versichern, dass sie vor der Abgabe der Erklärung beraten wurden (siehe oben).

Besonderheiten für Menschen, die eine gesetzliche Betreuung haben (§ 3 Abs. 3 SBGG):

Für volljährige Personen, die geschäftsfähig sind, gelten dieselben Regelungen wie für andere Erwachsene, auch wenn für sie für bestimmte Bereiche (z.B. Wohnen, Behördenangelegenheiten, Gesundheit usw.) eine gesetzliche Betreuung bestellt wurde.

Für geschäftsunfähige volljährige Personen, für die hinsichtlich der Änderung des Geschlechtseintrages oder umfassend für alle Bereiche eine gesetzliche Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt bestellt wurde, kann nur der*die gesetzliche Betreuer*in die Erklärung gegenüber dem Standesamt abgeben. Das muss vorher vom Betreuungsgericht genehmigt werden, wenn die Erklärung zur Änderung dem Wunsch und dem Willen der betreuten Person entspricht.

Besonderheiten für Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft

Die Änderung des Geschlechtseintrages und des Vornamens nach deutschem Recht ist abhängig vom Aufenthaltsstatus und Aufenthaltsort (§ 1 Abs. 3 SBGG).

Nach Art. 7a Abs. 1 EGBGB richtet sich die Geschlechtszugehörigkeit grundsätzlich nach dem Heimatrecht der betroffenen Person.

Die Änderung von Geschlechtseintrag und Vorname ist nach § 1 Abs. 3 SBGG aber auch zulässig, wenn die Person nach Art. 7a Abs. 2 EGBGB für die Änderungen deutsches Recht wählt und wenn die Person als Ausländer*in

1          ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt oder

2          eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich rechtmäßig im Inland aufhält oder

3          eine Blaue Karte EU besitzt

Wahl des deutschen Rechts:

Nur eine Person mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland kann deutsches Recht wählen. Unter „gewöhnlichem Aufenthalt“ wird in der Regel verstanden, dass ein tatsächlicher längerer und nicht nur vorübergehender Aufenthalt begründet wurde, und zwar dort, wo sich der Schwerpunkt der sozialen Kontakte (insb. familiär und beruflich) befindet.

Ein nur kurzer oder vorübergehender Aufenthalt (z.B. zu Besuchs- oder touristischen Zwecken) reicht also nicht aus.

Erklärungen nach Art. 7a Abs. 2 EGBGB zur Wahl des deutschen Rechtes müssen gegenüber dem Standesamt abgegeben werden (§ 45b Abs. 3 PStG).

Aufenthaltsstatus:

+ Unionsbürger*innen haben ein unbefristetes Aufenthaltsrecht (nämlich Freizügigkeit), solange ihnen diese Freizügigkeit nicht rechtswirksam entzogen wurde, und können das SBGG-Verfahren durchführen.

+ Personen mit einer Blauen Karte EU (EU Blue Card), also akademische Fachkräfte, können das SBGG-Verfahren ebenfalls durchführen.

+ Personen mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU) können das SBGG-Verfahren durchführen.

+ Personen mit einer befristeten, aber verlängerbaren Aufenthaltserlaubnis (z.B. Aufenthaltserlaubnisse aus familiären oder beruflichen Gründen) können das SBGG-Verfahren durchführen, wenn sie sich rechtmäßig im Inland aufhalten. 

+ Asylberechtigte, nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannte Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigte und Personen mit einem Abschiebungsverbot erhalten in der Regel zunächst alle eine befristete, aber verlängerbare Aufenthaltserlaubnis und können daher das SBGG-Verfahren durchführen.

– Personen im noch laufenden Asylverfahren (mit Aufenthaltsgestattung) haben kein unbefristetes Aufenthaltsrecht und keine Aufenthaltserlaubnis und können das SBGG-Verfahren daher erst nach einem positiven Abschluss ihres Verfahrens und Erteilung der Aufenthaltserlaubnis durchführen.

– Personen mit einer Duldung und Personen ohne Papiere sind nicht berechtigt, das SBGG Verfahren durchzuführen.

+/- Staatenlose Personen und Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit können das SBGG-Verfahren nur durchführen, wenn sie die oben genannten Voraussetzungen (also gewöhnlicher Aufenthalt im Inland und ein Aufenthaltsstatus nach § 1 Abs. 3 SBGG) erfüllen.

Für diejenigen Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die die Voraussetzungen erfüllen und ein Verfahren nach dem SBGG durchführen können, gibt es aber eine weitere Sonderregelung im SBGG:

Wenn die Erklärung zur Änderung nach § 2 Abs. 1 SBGG in einem Zeitraum von zwei Monaten vor einem Ereignis erfolgt ist, das zum Erlöschen des Aufenthaltstitels führen kann, bleibt der bisherige Geschlechtseintrag und Vorname bestehen (§ 2 Abs. 4 SBGG).

Ereignisse, die zum Erlöschen des Aufenthaltstitels und zur Ausreisepflicht führen können, sind beispielsweise (Aufzählung nicht abschließend):

•          Die Aufenthaltserlaubnis ist abgelaufen und kann nicht mehr verlängert werden.

•          Die Aufenthaltserlaubnis wird von der Ausländerbehörde zurückgenommen oder widerrufen, weil die Voraussetzungen dafür nicht (mehr) erfüllt sind, z.B. weil die eheliche Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Person nicht mehr besteht oder wenn der Flüchtlingsstatus rechtswirksam widerrufen wurde.

•          Die Ausländerbehörde erlässt einen Ausweisungsbescheid (z.B. bei Straftaten), der rechtswirksam wird.

•          Die betroffene Person ist ausgereist und innerhalb von sechs Monaten (oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist) nicht wieder eingereist.

Was tun, wenn das Standesamt die Änderung ablehnt?

Wenn das Standesamt Zweifel hat, ob es die Änderung des Geschlechtseintrages durchführen soll oder, ob es bspw. einen Vornamen für passend zum Geschlecht hält, kann das Standesamt eine sog. Zweifelsvorlage an das zuständige Amtsgericht richten und beantragen, dass das Gericht die Entscheidung für das Standesamt trifft. Am Verfahren über eine Zweifelsvorlage wird die antragstellende Person beteiligt, also vom Gericht angehört.

Falls das Standesamt die Änderung des Geschlechtseintrages gleich und ohne Einschaltung des Gerichtes ablehnen sollte (das könnte nur bei Vorliegen objektiver und konkreter Anhaltspunkte für einen offensichtlichen Missbrauch möglich sein), besteht die Möglichkeit, selbst einen Antrag an das Amtsgericht zu stellen (§ 49 PStG) und zu beantragen, dass dieses das Standesamt verpflichtet, die Änderung vorzunehmen.

Besonderheit Militärgeschlecht

Im SBGG wird geregelt, dass im Zusammenhang mit dem „Dienst an der Waffe“ im Spannungs- oder Verteidigungsfall die rechtliche Zuordnung zum männlichen Geschlecht bestehen bleibt, auch wenn eine Erklärung nach dem SBGG abgegeben wurde. In allen anderen Lebensbereichen bleibt die Änderung des Geschlechtseintrages aber wirksam und rechtlich ausschlaggebend.

Konkret bedeutet das, dass eine Änderung des ursprünglich männlichen Geschlechtseintrages in Bezug auf die Wehrpflicht (und nur in Bezug darauf) nicht wirksam möglich ist, wenn die Änderung innerhalb eines Zeitraumes von zwei Monaten vor der Feststellung eines Spannungs- oder Verteidigungsfalls oder während eines solchen vorgenommen wird (§ 9 SBGG).

Sobald der Kriegs- oder Spannungszustand (den der Bundestag festlegt) aufgehoben wird, wird die vorgenommene Änderung des Geschlechtseintrages auch in Bezug auf die Wehrpflicht rechtlich wieder wirksam. Die Person wird im nächsten Spannungs- und Verteidigungsfall dann nicht mehr dem männlichen Geschlecht zugerechnet.

Für Eltern

Nach dem SBGG bestimmt sich auch das Eltern-Kind Verhältnis teilweise nach dem Geschlechtseintrag (§ 11 SBGG).

Mutter ist immer die Person, die ein Kind zur Welt bringt, unabhängig vom Geschlechtseintrag.

Vater wird die Person, die das Kind gezeugt hat und deren Vaterschaft gerichtlich festgestellt wird, unabhängig vom Geschlechtseintrag.

Vater kann auch werden, wer mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet ist und zu diesem Zeitpunkt einen männlichen Geschlechtseintrag hat oder wenn man die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkennt und auch zum Zeitpunkt der Geburt einen männlichen Geschlechtseintrag hatte.

Eine Person mit diversem oder offenem Geschlechtseintrag kann nicht durch Vaterschaftsanerkennung oder Ehe mit der Mutter die Elternrolle des Vaters erhalten. In diesem Fall bleibt bisher (bis zu einer Abstammungsrechtsreform) nur die Stiefkindadoption.


[1] §18 PStG

[2] § 21 PStG

[3] § 22 Abs. 3 PStG