Mit der Einführung des Personenstands „divers“ sind konkrete Maßnahmen der Antidiskriminierung von inter* Personen auch im Arbeits- und Berufsleben rechtlich geboten. In der Umsetzung von diskriminierungssensiblen Strategien fehlt es dabei jedoch häufig (noch) an konkreten Handlungsempfehlungen und entsprechender Unterstützung bei der praktischen Einführung. Unterstützung könnte etwa in Form von Sprachvorlagen für geschlechtsneutrale E-Mail-Anreden oder Vorschläge für den Umgang mit bisher geschlechtlich getrennter Dienstkleidung geboten werden. Zusätzlich herrscht große Rechtsunsicherheit, wie sich der Personenstand auch auf bisher binär verfahrende rechtliche Regelungen wie zum Beispiel auf den „Mutterschutz“ oder auch auf Formen der sogenannten positiven Diskriminierung etwa durch eine „Frauenquote“ auswirkt.

Die Landeskoordination Inter* NRW hat in Kooperation mit der Landeskoordination Inter* Niedersachsen eine Checkliste für den Arbeitsalltag erstellt.


Die Publikation hat dem Titel “Divers” und jetzt?!. Darin werden Grundlagen zu Intergeschlechtlichkeit, der rechtlichen Lage sowie hilfreiche Tipps vermittelt, wie ein Bewerbungsverfahren und die Zeit während der Beschäftigung inklusiver für inter* Menschen gestaltet werden können.

Die Checkliste kann ab sofort heruntergeladen und über die LaKo Inter* bestellt werden.

Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat 2020 zwei Studien veröffentlicht, die umfangreich über das Thema Inter* im Arbeits- und Berufsleben informieren, Problemfelder identifizieren und konkrete Handlungsempfehlungen formulieren.

„Geschlechterdiversität in Beschäftigung und Beruf – Bedarfe und Umsetzungsmöglichkeiten von Antidiskriminierung für Arbeitgeber_innen“ (2020)

Diese Publikation richtet sich explizit an Arbeitgeber*innen und vermittelt konkrete Handlungsempfehlungen, wie der Arbeitsplatz möglichst diskriminierungssensibel gestaltet werden kann.Die Studie identifiziert auf Grundlage des gegenwärtigen Forschungsstandes und anhand von Expert*innen-Interviews verschiedene Handlungsbereiche zur Antidiskriminierung von intergeschlechtlichen Menschen im Berufsleben und zeigt dann konkrete Möglichkeiten zur Umsetzung für Arbeitgeber*innen auf. In insgesamt 26 Bausteinen zu den Themenfeldern Betriebskultur, Personalgewinnung, Umgang mit geschlechtsbezogenen Daten, Sprache und Kommunikation, Sanitäranlagen sowie Körper, Kleidung und Gesundheit werden praktische Handlungsempfehlungen für die Berufspraxis formuliert, die die Anerkennung und Implementierung geschlechtlicher Vielfalt im Arbeitsleben ermöglichen sollen. Zusätzlich verweist die Publikation auf bundesweite Beratungsstellen und weitere Ressourcen wie etwa Sprachleitfäden und zusätzliches Infomaterial zur Aufklärung und Sensibilisierung. Hier können Sie die Studie bestellen oder als PDF-Datei herunterladen.

„Jenseits von männlich und weiblich – Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung im Arbeitsrecht und öffentlichen Dienstrecht des Bundes“ (2020)

Diese zweite Publikation unter dem Titel klärt über die rechtlichen Konsequenzen des Personenstandes in Hinblick auf Arbeitsreicht und Recht des öffentlichen Dienstes auf. Da beide Rechtsgebiete bisher einem binären Geschlechtsmodell folgen, wird in der Studie herausgearbeitet, welche Bereiche des Rechts auch für intergeschlechtliche Menschen mit einem diversen Geschlechtseintrag anwendbar sind und in welchen Bereichen die Gesetzgebung zukünftig noch Klarstellung schaffen muss. Hierzu wird der konkrete Anpassungsbedarf verschiedener Vorschriften benannt, für die Geschlecht als Tatbestandsmerkmal von Relevanz ist (wie z.B. Regelungen zum „Mutterschutz“). Berücksichtigt wird in der Analyse nicht nur das deutsche Verfassungsrecht, sondern auch das Recht der Europäischen Union, das in Bezug auf geschlechtsbezogene Diskriminierung am Arbeitsplatz eine zentrale Rolle einnimmt. Hier können Sie die Studie bestellen oder als PDF-Datei herunterladen.

Auch das Institut für Diversity- und Antidiskriminierungsforschung (IDA) hat zwei Studien zum Thema inter* am Arbeitsplatz veröffentlicht.

„Inter* im Office?! – Die Arbeitssituation von inter* Personen in Deutschland unter differenzieller Perspektive zu (endo*) LSBT*Q+ Personen“ (2020)

Diese Studie hatte die Zielsetzung, die Arbeitssituation von inter* Personen zu untersuchen und mit den Erfahrungen von endogeschlechtlichen LSBT-Personen zu vergleichen. Dazu wurden 32 inter* Beschäftigte und 1223 endo* LSBT-Beschäftigte zu ihrer Arbeitssituation und Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz befragt. Zentrale Ergebnisse der Studie sind etwa, dass alle befragten Gruppen nach wie vor mit Feindlichkeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz konfrontiert sind. Die Diskriminierung fiel jedoch bei inter* Personen und trans* und/oder nicht-binären Personen, die (eher) als abweichend von einer binären Geschlechternorm gelesen werden, noch stärker aus. Hier können Sie die Studie bestellen oder als PDF-Datei herunterladen.

„Out im Office! Out vor Kunden_innen“ (2021)

In dieser Studie wurde noch spezifischer nach dem Umgang von LSBTI-Personen mit der eigenen sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität im Kund*innen-Kontakt am Arbeitsplatz gefragt. Dazu wurden 1012 LSBTI-Personen, davon 25 inter* Personen, zu ihren Erfahrungen im Umgang mit Kund*innen befragt. Zentrale Ergebnisse der Studie sind, dass ein offener Umgang mit der eigenen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität im Kund*innen-Kontakt von den Befragten seltener gepflegt wird als etwa im Kontakt mit Kolleg*innen oder Vorgesetzten und dass zwischen einem Fünftel und einem Drittel der Befragten angaben, bereits Diskriminierungserfahrung im Umgang mit Kund*innen gemacht zu haben. Hier können Sie die Studie bestellen oder als PDF-Datei herunterladen.

Intergeschlechtlichkeit bezeichnet generell angeborene körperliche Merkmale, die nicht in die binäre gesellschaftliche Norm von männlich und weiblich passen. Das kann auf genetischer, hormoneller oder anatomischer Ebene sein.

Die Intergeschlechtlichkeit eines Menschen kann sich schon kurz nach der Geburt, im Kleinkindalter oder in der Pubertät zeigen. Manchmal bleibt sie auch unentdeckt.

Inter* hat viele Namen. Wenn Sie mehr über Begriffe und Namen wissen wollen, schauen Sie doch in unser Glossar.

Wie viele intergeschlechtliche Menschen gibt es?

Diese Frage ist schwer zu beantworten. Es gibt keine offizielle Statistik in Deutschland, welche die Zahl der inter* Personen dokumentiert. Außerdem wird auch immer wieder darum gestritten, was als intergeschlechtlich, männlich oder weiblich gilt. Wissenschaftliche Schätzungen hinsichtlich des prozentualen Anteils von inter*Menschen an der Gesamtbevölkerung liegen zwischen 0,02 und 1,7 Prozent.

Zum Vergleich gibt es in Deutschland

  • fast so viele Zwillinge wie inter* Kinder.[1]
  • etwa so viele rothaarige Menschen wie intergeschlechtliche Menschen.[2]

Intergeschlechtlichkeit ist also nicht so selten, wie man denkt. Sie ist allerdings durch die lange währende Tabuisierung des Themas nicht so bekannt.

Variationen der geschlechtlichen Entwicklung sind keine Krankheit

Intergeschlechtlichkeit ist keine Krankheit und schränkt die Gesundheit in der Regel nicht ein. Manche Variationen können allerdings mit spezifischen Gesundheitsrisiken einhergehen. Die Medizin drückt sich in Diagnosen aus und verwendet für Intergeschlechtlichkeit den Sammelbegriff „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ (im Englischen: DSD (Disorders/Differences of Sex Development). Der Begriff DSD wird von Verbänden und Aktivist*innen jedoch kritisiert, da er den Eindruck vermittelt, etwas sei mit dem Körper von intergeschlechtlichen Menschen nicht richtig, sondern er sei „gestört“ und müsse daher behandelt werden.

Muss Intergeschlechtlichkeit behandelt werden?

Nein. Die Intergeschlechtlichkeit an sich ist nicht behandlungsbedürftig. Da ein intergeschlechtlicher Körper aber ganz verschieden aussehen kann, ist es wichtig, ihn gut zu kennen und auch zu wissen, was für Versorgungsleistungen im Einzelfall zustehen. Leider werden bis heute auch immer noch kosmetische Operationen angeboten, die die Gesundheit nicht verbessern, sondern im Gegenteil, die Gesundheit einschränken können.[3] Informationen um die Diskussion zu Menschenrechten finden Sie hier. Mehr zum Thema Gesundheit finden Sie hier.

Die FUMA Fachstelle Gender & Diversität haben in ihrem Projekt #BIT auch ein Erklärvideo zu Inter* gemacht. Schauen Sie sich das gerne mal an:


[1] 2017 kam es bei 1,8% der Geburten in Deutschland zu Zwillings- bzw. Mehrlingsgeburten (Statistisches Bundesamt).

[2] Etwa 1–2 % der Menschen in Deutschland haben naturrote Haare.

[3] Vgl. Schweizer, Katinka; Richter-Appelt, Hertha (2012): Die Hamburger Studie zur Intersexualität. In: Schweizer, Katinka; Richter-Appelt, Hertha: Intersexualität kontrovers. Gießen: psychosozial Verlag. S. 187-205.

Wenn Sie durch Ihren Beruf als Journalist*in oder Medienmacher*in in der Position sind, über Intergeschlechtlichkeit zu berichten, sollten Sie auf einige Dinge achten. Die Wichtigsten haben wir hier für Sie zusammengestellt.

Sprechen mit – statt sprechen über

Intergeschlechtliche Menschen können Ihnen selbst am besten erklären, welche Aspekte für sie relevant sind und wie sie sich und ihre Anliegen repräsentiert sehen wollen. Informieren Sie sich bei Organisationen intergeschlechtlicher Menschen darüber, welche Begriffe verwendet werden, welche Forderungen formuliert werden und welche Themen für intergeschlechtliche Menschen besonders relevant sind. Sprechen Sie nicht über intergeschlechtliche Menschen, sondern mit ihnen.

Auch wenn viele Menschen Fragen zu den vielfach diskutierten All-Gender-Toiletten oder dem Personenstandsrecht haben, sind diese Themen für intergeschlechtliche Personen oft weniger relevant als zum Beispiel ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit und gesellschaftliche Anerkennung.

Begriffe und ihre Wirkung

Vermeiden Sie negativ konnotierte Begriffe wie „Störung“, „Defekt“ oder „Fehlbildung“ und vermeiden Sie wertende Angaben wie „uneindeutig“, „zu klein/zu groß“ oder „untypisch“. Solche Begriffe bestärken die Idee, dass es vor allem „Männer“ und „Frauen“ gibt und Intergeschlechtlichkeit damit etwas Defizitäres oder Unnatürliches ist.

  • Verwenden Sie stattdessen Begriffe wie „geschlechtliche Diversität“ oder „Variation der Geschlechtermerkmale“; hinterfragen Sie die Norm der Zweigeschlechtlichkeit!

Vergleiche

Vermeiden Sie Vergleiche oder Verwechslungen mit Transgeschlechtlichkeit oder Homosexualität.

  • Machen Sie deutlich, dass die Intergeschlechtlichkeit eines Menschen eine angeborene körperliche Eigenschaft ist. Sie gibt noch keinen Aufschluss über die Geschlechtsidentität oder die sexuelle Orientierung eines Menschen.

Vermeiden Sie außerdem Vergleiche mit anderen Kulturen, mystischen Gestalten oder der Tierwelt, um Intergeschlechtlichkeit auf diese Art zu „naturalisieren“. Dadurch vermitteln Sie, dass Intergeschlechtlichkeit etwas „Exotisches“ oder „Mystisches“ ist und nichts mit der Realität zu tun hat.

  • Erklären Sie stattdessen, welche Anliegen und Bedarfe intergeschlechtliche Menschen hier, jetzt und heute formulieren.

Anerkennung statt Verharmlosung

Vermeiden Sie eine Verharmlosung von Menschenrechtsverletzungen, die an intergeschlechtlichen Personen begangen werden.

  • Machen Sie deutlich, dass es sich bei nicht-eingewilligten Operationen um Menschenrechtsverletzungen handelt, die an Menschen aufgrund falscher Überzeugungen oder fehlender Aufklärung der Medizin verübt werden. Vermeiden Sie aber gleichzeitig eine einseitige Darstellung von intergeschlechtlichen Personen ausschließlich als Opfer.

Die Vereinten Nationen schätzen, dass bis zu 1,7 % der Menschen intergeschlechtlich sind. Eine Zahl, die sich medial noch nicht widerspiegelt. Bedenken Sie also, dass Sie durch eine inklusive und respektvolle Darstellung und Berichterstattung einen Beitrag leisten können, intergeschlechtliche Personen in ihren Anliegen und Bedarfen zu unterstützen und sichtbar zu machen.

Die Hinweise zur Darstellung von Intergeschlechtlichkeit in den Medien basieren auf den Überlegungen von Andreas Hechler. Hier finden Sie einen interessanten Beitrag, der die Probleme in der Berichterstattung über Intergeschlechtlichkeit pointiert und polemisch auf den Punkt bringt. Zudem könnten die Dos und Don’ts für Pädagog*innen auch für Sie interessant sein.

Mit Unterstützung von Andreas Hechler

Intergeschlechtliche Menschen sieht man bisher wenig im öffentlichen Raum. Auch in Serien, Büchern oder im Fernsehen sind sie wenig repräsentiert.

Wir wollen hier ein paar Stimmen von intergeschlechtlichen Menschen und ihren Angehörigen sammeln, die verschiedene Facetten ihres Lebens mit uns teilen.

Es gibt im Internet einige Videos, Beiträge oder Projekte zum Thema Intergeschlechtlichkeit. Hier haben wir ein paar davon gesammelt:

OII Europe (Organisation Intersex International, Europe) haben unter #MY INTERSEX STORY Geschichten von inter* Menschen aus ganz Europa versammelt. Auf der Projektseite finden sich Videos und Informationen zum Projekt. Im Buch erzählen inter* Menschen aus ganz Europa ihre Geschichten. (Webseite und Geschichten sind auf Englisch)

Das 2012 gegründete Interfaceproject porträtiert intergeschlechtliche Personen in ihren verschiedenen Lebensrealitäten. Die Personen stellen sich in kurzen Videos selbst vor und berichten aus ihren Leben, zu jedem Video gibt es außerdem ein Transkript.

Die Sendung Auf Klo vom öffentlich-rechtlichen Jugendsender funk hat in einer Folge Audrey aus der Schweiz zu Gast. Audrey berichtet unter anderem von den medizinischen Eingriffen, die sie als Kind und Jugendliche erlebt hat:

(Die Videos sind auf Deutsch, Französisch oder Englisch. Meist auch mit deutschen Untertiteln.)

Weitere Videos von Audrey finden Sie auf ihrem Youtube Kanal (Audr XY). (Die Videos sind auf Deutsch, Französisch oder Englisch, meist auch mit deutschen Untertiteln)

Auf der medienpädagogischen Seite Planet Schule finden Sie ein Video, in dem Lynn aus Berlin berichtet, wie es ist, intergeschlechtlich zu sein.

Der YouTube Kanal von OII Europe präsentiert ein Video mit dem Titel „My intersex Story“:

(Englisch mit deutschen Untertiteln.)

Vom WDR gibt es außerdem einen Beitrag, in dem eine Mutter zu ihren Erfahrungen mit der Intergeschlechtlichkeit ihres Kindes interviewt wird. Auch in der EMMA findet sich ein Text einer Mutter. Hier erzählt J.M. Pulvermüller wie es ist ein intergeschlechtliches Kind zu haben.

Ted Talk von Emily Quinn – Wie wir über das biologische Geschlecht denken ist falsch. (Englisch mit deutschen Untertiteln.)
Emily Quinn ist Autorin, Grafikerin und Aktivistin bei InterAct.

Die Bücher Inter*Trans*Express und Identitätskrise 2.0 sind eine Sammlung von Kurzgeschichten, Gedichten und Zeichnungen von Alltag und Widerstand als „Genderoutlaw“. Beide Bücher beschreiben persönliche Erfahrungen und machen damit Inter* Perspektiven sichtbar. Hier finden Sie exklusiv Auszüge aus beiden Büchern.

Weiteres Material von intergeschlechtlichen Menschen:

Bücher und Webseiten

Sammelband mit kurzen, persönlichen Geschichten von intergeschlechtlichen Menschen aus der ganzen Welt.

  • Inter – Erfahrungen intergeschlechtlicher Menschen in der Welt der zwei Geschlechter. Von Elisa Barth u.a. (2017/2013): Berlin: NoNo Verlag / Münster: edition assemblage.

Kurzgeschichten, Gedichte und Zeichnungen einer intergeschlechtlichen Person:

  • Identitätskrise 2.0 oder eine Analyse meiner linken DNA. Von Ika Elvau (2019). Münster: edition assemblage.
  • Inter*Trans*Express* – eine Reise an und über Geschlechtergrenzen. Von Ika Elvau (2014): Münster: edition assemblage.

Portale und Webseiten auf denen inter* Personen von sich erzählen:

Webseiten und Broschüren wo man sich weiter zu Inter* informieren kann:

  • Regenbogenportal – Das Wissensnetz zu gleichgeschlechtlichen Lebensweisen und geschlechtlicher Vielfalt. Viele lesenswerte Texte, auch zum Thema Intergeschlechtlichkeit des BMFSFJ.
  • Inter* und Sprache. Eine Broschüre des Antidiskriminierungsprojekts von TransInterQueer.
  • Wenn Sie das Thema Akzeptanz und Vielfalt weiter fördern möchten, finden Sie in der Broschüre Akzeptanz für Vielfalt viele Anregungen für Kinderbücher.

Videoclips

Empfohlene Filme/Dokumentation:

Comics und Graphic Novels

Hinter dem englischen Begriff Allyship verbergen sich die Konzepte von Verbundenheit, Solidarität und Unterstützung. Ein Ally ist also eine unterstützende Person, ein*e Verbündete*r, der*die sich – in diesem Fall – mit inter* Menschen für inter* Menschen und ihre Anliegen einsetzt, ohne selbst intergeschlechtlich zu sein.

Hier möchten wir Ihnen einige Möglichkeiten aufzeigen, der Diskriminierung von intergeschlechtlichen Menschen entgegenzuwirken und selbst Verbündete*r von inter* Menschen zu werden. Außerdem erklären wir, was es beim Thema Allyship zu beachten gibt.

Dies vorweg: Es gibt unterschiedliche Vorstellungen davon, was es bedeutet, ein Ally zu sein. Während zunächst jegliches Engagement für diskriminierte Gruppen sehr löblich und wertvoll ist, kommt es bei eine*r/m Verbündeten auf seine*ihre Ernsthaftigkeit, Taten und Ausdauer an. Als Ally sollte man sich nicht nur bezeichnen, sondern sich vor allem auch entsprechend einsetzen und verhalten.

Der Diskriminierung entgegenwirken – Jede*r kann helfen

Die Idee der Zweigeschlechtlichkeit ist in vielen Gesellschaften tief verankert und wird durch soziale Praxen aufrechterhalten. Die Praxis, intergeschlechtliche Kinder früh operieren zu lassen und ihr Geschlecht einer vorgegebenen Norm „anzugleichen“, entspringt schwerwiegender Weise der Überzeugung, dass es nur zwei Geschlechter gäbe und alle anderen Auffassungen von Geschlecht davon abweichen und nicht von der Gesellschaft akzeptiert würden. Aus der Sorge heraus, dass das Kind im Laufe seines Lebens Diskriminierung erfahren und sich als „fehlerhaft“ empfinden würde, wurden unzählige Operationen ohne Einwilligung der inter* Menschen durchgeführt, anstatt an anderer Stelle gegen Diskriminierung vorzugehen. Um dies zu ändern, bedarf es (u. a.) gesellschaftlicher Aufklärung. Hier sind ein paar Hinweise, wie Solidarität und Unterstützung aussehen kann:

  • Darüber sprechen. Je mehr Intergeschlechtlichkeit thematisiert und Bestandteil gesellschaftlichen Wissens wird, desto weniger sind inter* Menschen unsichtbar und werden stigmatisiert. Sprechen Sie innerhalb Ihres privaten und beruflichen Umfeldes darüber, lassen Sie falsche oder diskriminierende Aussagen nicht einfach stehen.
  • Berücksichtigen Sie geschlechtliche Vielfalt in Ihrer Sprache und anderen alltäglichen Bereichen. Beispielsweise können Sie sich bemühen, geschlechtsneutral zu sprechen. Zu beachten ist, dass die Geschlechtsidentität von inter* Menschen – ebenso wie von endogeschlechtlichen Menschen – sowohl binär als auch nicht-binär sein kann. Grundsätzlich ist es ratsam, das Geschlecht/die Geschlechtszugehörigkeit einer Person nicht anhand ihres Aussehens zu vermuten. So ist es sehr aufmerksam, von und mit Menschen anhand ihres Namens zu sprechen und somit geschlechtszuweisende Personalpronomen (er/sie, sein/ihr, ihr/ihm, etc.) zu vermeiden, solange die betreffende Person Ihnen diese nicht mitgeteilt hat.

Ebenso können Sie mit werdenden Eltern in Ihrem Umfeld über Intergeschlechtlichkeit sprechen und generell vermeiden, werdende/frische Eltern nach dem Geschlecht ihres Kindes zu fragen. Ob es dem Kind gut geht, welchen Namen es trägt usw., ist doch eigentlich wichtiger.

  • Unterstützen Sie Aktivist*innen und/oder Organisationen. Es gibt bereits Organisationen mit viel Expertise, guter Vernetzung und Einbezug von intergeschlechtlichen Menschen, sodass Sie das Rad gar nicht neu erfinden müssen (z.B. www.oiigermany.org, www.ilga-europe.org, www.im-ev.de, www.dritte-option.de.).
  • Bei der aufrichtigen Unterstützung benachteiligter Gruppen sollte es nicht um einen selbst gehen, sondern um die Diskriminierten. Auch wenn Sie Ihre Anteilnahme und Betroffenheit natürlich zum Ausdruck bringen dürfen, sollten Sie sich und andere daran erinnern, dass Sie das Privileg haben in die gesellschaftliche Norm zu passen und dadurch einige Vorteile haben. Teilen Sie Ihre Vorteile mit inter* Personen, indem Sie sich an ihrer Seite für sie einsetzen.
  • Vereinnahmen Sie Inter* nicht, um beispielsweise auf die Konstruktion von Geschlecht aufmerksam zu machen. Die Bedarfe von intergeschlechtlichen Menschen sollten im Vordergrund stehen.
  • Nehmen Sie das Thema Inter* und Perspektiven von inter* Menschen in Ihre Arbeit auf.

Webseiten und Information zum Weiterlesen:

Intergeschlechtliche Kinder, deren Genital von Ärzt*innen bei der Geburt nicht eindeutig männlich oder weiblich eingeordnet werden kann, werden häufig ohne ihre Einwilligung und ohne medizinische Notwendigkeit operiert.

Viele Organisationen wie etwa die UN, Organisation Intersex International (OII), Amnesty International u. a., bewerten diese operativen Eingriffe schon lange als Menschenrechtsverletzungen, denn die Kinder können nicht über ihren eigenen Körper entscheiden. Es bedarf der informierten Einwilligung (häufig zu finden als “informed consent“) derjenigen, die sich einer Operation unterziehen, so die Organisationen. Nur bei einer Gefährdung der Gesundheit sollten auch Eltern entscheiden dürfen, dass das Kind operiert wird.

Das Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, das 2021 verabschiedet wurde, ist ein wichtiger Schritt, solche Operationen an Genitalien von Kindern, die nicht den Erwartungen der Eltern oder Mediziner*innen entsprechen, zu verhindern.

Neben den uneingewilligten Operationen gibt es auch noch andere Bereiche, die als Menschenrechtsverletzungen aufgefasst werden, beispielsweise, wenn das Recht auf persönliche Entfaltung und Entwicklung missachtet wird oder Komplikationen beim Zugang zu den eigenen Krankenakten auftreten.

Menschenrechte, die völkerrechtlich verankert und geschützt sind, beinhalten sowohl den Schutz aller Menschen vor Diskriminierung als auch die Rechte auf Achtung des Privatlebens, auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit, auf Selbstbestimmung und auf Anerkennung.

Verletzungen dieser Menschenrechte für intergeschlechtliche Personen finden statt, wenn

  • Inter* als Störung klassifiziert wird.
  • uneingewilligte Operationen an intergeschlechtlichen Kindern durchgeführt werden.
  • die informierte Einwilligung nicht ernstgenommen wird.
  • das Recht auf persönliche Entfaltung und Entwicklung (vor allem in Bezug auf die Geschlechtsidentität) nicht geachtet wird.
  • Komplikationen beim Zugang zu Krankenakten auftreten.
  • es zu Diskriminierung bei der Zulassung zu Sportverbänden u. ä. kommt.

Ein ausführlicher Bericht von OII Deutschland über die Verletzung der Menschenrechte ist hier zu finden.

Die EU Grundrechtsagentur (European Union Agency For Fundamental Rights FRA) hat in ihrer Umfrage (2020) auch inter* Menschen nach ihren Diskriminierungserfahren gefragt. Diese können Sie sich im Detail auf der Seite der FRA anschauen. Der LSVD hat die Daten kurz zusammengefasst.

Auch Amnesty International beschäftigt sich mit dem Thema Inter* und Menschenrechte. Auf der dortigen Seite sind auch Geschichten von intergeschlechtlichen Menschen zu lesen, deren Rechte nicht gewahrt wurden und werden.

Anregungen dazu, was man selbst tun kann, um die Wahrung der Menschenrechte in Bezug auf Inter* zu unterstützen, gibt es in dem Text zu Solidarität und Unterstützung.


Die Frage danach, was Geschlecht ist und wie viele Geschlechter es gibt, ist tatsächlich eine, die in der Geschichte der Menschheit schon lange zurückreicht – so lange, wie es Menschen gibt. Nachdem es lange Zeit die Genitalien waren, anhand derer das Geschlecht bestimmt werden sollte, waren es später die Keimdrüsen (Gonaden), also beispielsweise Eierstöcke und Hoden, die Aufschluss geben sollten. Mit der Entdeckung von Chromosomen und Hormonen vor etwa 150 Jahren wird sich heute auf diese vier Komponenten bezogen. Es gibt also das chromosomale, das hormonelle, das gonadale und das äußere Geschlecht. In der Regel spricht man von Intergeschlechtlichkeit/Variationen der geschlechtlichen Entwicklung, wenn die vier Komponenten nicht alle in die gleiche Richtung deuten, allerdings gibt es keine klaren Grenzen, wo inter*, männlich oder weiblich anfängt oder aufhört. Die Medizin versucht sich immer wieder an Definitionen. Die derzeitige medizinische Definition umfasst eine Reihe von Diagnosen, die als DSD (disorders/differences of sex development) bzw. als „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ gefasst werden.

Die Medizin drückt sich standesgemäß in Diagnosen aus. Da diese jedoch mit Krankheit assoziiert werden, und Variationen der geschlechtlichen Entwicklung keine Krankheit sind, werden solche Begriffe außerhalb des medizinischen Kontextes stark kritisiert. Mehr zu diesem und anderen Begriffen finden Sie in unserem Glossar.

Wie Geschlecht entsteht, zeigt das Video aus der Sendung Quarks.