Personenstand

Von Katrin Niedenthal (Rechtsanwältin, Bielefeld)

In Deutschland gibt es den Sammelbegriff Personenstand. Damit sind alle Daten über Geburt, Eheschließung (Lebenspartnerschaft) und Tod und damit in Verbindung stehende familien- und namensrechtliche Daten gemeint. Zur Erfassung des Personenstandes gibt es verschiedene Register, z. B. das Geburts-, Ehe- und Sterberegister.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 10.10.2017 festgestellt, dass der Geschlechtseintrag einer Person eine identitätsstiftende und -ausdrückende Wirkung hat. Aus diesem Grund ist auch die personenstandsrechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität von intergeschlechtlichen Menschen grundrechtlich geschützt.

Bei Geburt

Eltern müssen nach der Geburt eines Kindes innerhalb von einer Woche[1] bei dem Standesamt verschiedene Angaben machen und dabei auch das Geschlecht des Kindes angeben.[2] Diese Daten werden dann in das Geburtenregister eingetragen. Das Standesamt stellt danach die Geburtsurkunde aus.

Wenn das Kind weder dem „weiblichen“ noch dem „männlichen“ Geschlecht zugeordnet werden kann, kann der Geschlechtseintrag offen gelassen oder die Geschlechtsbezeichnung „divers“ eingetragen werden.[3]

Leider wissen nach wie vor viele Menschen nicht, dass es die Möglichkeit gibt, den Geschlechtseintrag offen zu lassen oder „divers“ eintragen zu lassen. Eltern fühlen sich häufig unter Druck gesetzt, gleich nach der Geburt „männlich“ oder „weiblich“ als Geschlechtsangabe des Kindes eintragen und/oder sogar geschlechtsverändernde Operationen an ihren intergeschlechtlichen Kindern durchführen zu lassen.

Da medizinisch nicht notwendige Operationen, die ohne die Einwilligung der betreffenden Person durchgeführt werden, als Menschenrechtsverletzung anerkannt sind, wird momentan in Deutschland über ein explizites Verbot dieser Operationen an Kindern diskutiert.

Änderung des Geschlechtseintrages

Es gibt die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister nachträglich berichtigen zu lassen.[4]

Hierfür muss gegenüber des Standesamtes des Geburtsorts nach § 45b PStG erklärt werden, welcher Eintrag („divers“, Offenlassen des Eintrags, „weiblich“, „männlich“) zukünftig gewünscht wird. Mit der Erklärung kann außerdem ein neuer Vorname bestimmt werden bzw. der bisherige Vorname ergänzt werden. [5] Sogenannte geschlechtsneutrale Vornamen sind für alle Personen zulässig. Bei Personen mit einem Eintrag als „divers“ oder ohne eine Eintragung der Geschlechtszugehörigkeit ist jedoch auch eine Kombination aus männlich und weiblich konnotierten Vornamen möglich.

Soll nur der Vorname geändert werden, sollte eine Rücksprache mit dem zuständigen Standesamt vorgenommen werden. Gegebenenfalls muss ein Antrag nach dem Namensänderungsgesetz (NamÄndG) gestellt werden.

Für ein Kind bis 14 Jahre können nur die gesetzlichen Vertreter*innen die Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrages und des Vornamens abgeben. Jugendliche, die älter als 14 Jahre sind, müssen diese Erklärung selbst abgeben, benötigen hierzu aber die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter*innen (also zumeist der Eltern), solange sie noch nicht volljährig sind. Sollten die gesetzlichen Vertreter*innen dieser Erklärung nicht zustimmen, wird die Zustimmung durch eine Entscheidung des Familiengerichts ersetzt, wenn die Änderung der Angabe zum Geschlecht oder der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht. Die*der Jugendliche muss sich nicht selber an das Familiengericht wenden. Das Standesamt ist nach § 168a Abs. 1 FamFG verpflichtet, das Familiengericht zu informieren. Mehr zu den Rechten von Minderjährigen finden Sie hier.

Die Erklärung gem. § 45b PStG muss öffentlich beglaubigt werden, dies kann jedes Standesamt (auch das am Wohnort) oder ein*e Notar*in tun. Falls die Erklärung bei einem*r Notar*in oder beim Wohnort-Standesamt abgegeben und beglaubigt wurde, muss diese an das Standesamt des Geburtsortes weitergeleitet werden. Dieses ist für die Änderung des Geburtenregisters zuständig.

Welches Standesamt für Personen zuständig ist, deren Geburtsort außerhalb von Deutschland liegt, ergibt sich aus § 45b Abs. 4 PStG.

Das zuständige Standesamt fordert außerdem die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, aus der hervorgeht, dass „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ vorliegen. Dabei reicht eine einfache Bescheinigung und es soll keine Diagnose genannt werden. Es ist ausreichend, wenn ärztlicherseits bescheinigt wird: „Hiermit bestätige ich, dass Varianten der Geschlechtsentwicklung vorliegen.“ Wenn man über ärztliche Unterlagen verfügt, aus denen sich eine entsprechende Diagnose ergibt, können auch diese Unterlagen vorgelegt werden, sodass kein erneuter Besuch bei Ärzt*innen für die Ausstellung einer Bescheinigung notwendig ist. Da den Standesämtern jedoch in vielen Fällen die notwendige Fachkompetenz fehlt, um zu erkennen, ob sich aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ ergibt, ist die Vorlage einer expliziten Bescheinigung über das Vorliegen von „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ zu empfehlen.

Dass „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ vorliegen, kann man auch selbst durch die Abgabe einer Erklärung an Eides statt versichern. Dies ist aber nur dann vorgesehen, wenn das Vorliegen von „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ wegen einer Behandlung nicht mehr oder nur durch eine unzumutbare Untersuchung nachgewiesen und keine ärztliche Bescheinigung über eine bereits erfolgte medizinische Behandlung vorgelegt werden kann.

Liegen die Voraussetzungen (beglaubigte Erklärung und Vorlage der ärztlichen Bescheinigung bzw. der eidesstattlichen Versicherung) vor, ändert das Standesamt den Personenstandseintrag. Man kann gleichzeitig auch die Ausstellung einer neuen Geburtsurkunde beantragen. Damit kann dann auch bei allen anderen Stellen (z. B. Arbeitgeber*innen, Schule, Uni) die Änderung der Geschlechtsbezeichnung und ggf. des Vornamens verlangt werden. Sollte nicht nur die Geschlechtsangabe, sondern auch der Vorname geändert worden sein, sollte man sich zugleich eine Bestätigung des Standesamtes über den Vornamenswechsel ausstellen lassen, um eine Personenidentität nachweisen zu können.

Gerichtliches Verfahren

Sollte das Standesamt sich weigern, die beantragte Änderung des Geschlechtseintrages vorzunehmen (z. B., weil es der Ansicht ist, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen), kann ein Antrag an das Amtsgericht gestellt werden, das für den Ort des Geburtsstandesamtes zuständig ist. Dieses kann das Standesamt  anweisen, die Änderung der Personenstandseintragung vorzunehmen.[6]

Wenn die Mitarbeiter*innen des Standesamtes selbst Zweifel haben, was eingetragen werden soll, gibt es die Möglichkeit, dass diese sich mit einer „Zweifelsvorlage“ ebenfalls an das Amtsgericht wenden.[7]

Offene Fragen und Regelungsbedarfe

Da die Möglichkeit der Eintragung der Geschlechtsbezeichnung „divers“ bzw. das Offenlassen des Geschlechtseintrages noch relativ neu sind, gibt es teilweise noch Unklarheiten auf Seiten der Standesämter bzw. fehlende Erfahrungen, was dies praktisch für die Personen bedeutet, die einen solchen Eintrag in den Ausweispapieren haben.

So bestehen bspw. unterschiedliche Auffassungen darüber, wann eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt. Einige wollen dies nur bei bestimmten Diagnosen annehmen. Andere nehmen eine solche immer dann an, wenn die von der Person selbst empfundene Geschlechtsidentität weder „weiblich“ noch „männlich“ ist.

Darüber hinaus gibt es weitere rechtliche Regelungsbedarfe im Zusammenhang mit der Einführung der Möglichkeit, den Geschlechtseintrag offen zu lassen oder „divers“ eintragen zu lassen.

So sind z. B. die abstammungsrechtlichen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht an die neue Rechtslage angepasst. Im BGB wird beispielsweise eine Person, die ein Kind gebärt, nach wie vor als „Mutter“ bezeichnet, auch wenn diese nicht „weiblich“ ist.[8] Sollten aufgrund dieser oder anderer Regelungslücken praktische oder rechtliche Probleme auftreten, sollten Sie sich an Beratungsstellen oder spezialisierte Anwält*innen wenden.


[1] §18 PStG

[2] § 21 PStG

[3] § 22 Abs. 3 PStG

[4] § 47 PStG

[5] § 45b PStG

[6] § 49 PStG

[7] § 49 PStG

[8] § 42 PStV