Besuche bei Ärzt*innen

Besuche bei der*m Ärzt*in sind in der Regel nicht gerade die Termine, auf die Menschen sich grundsätzlich freuen. Als intergeschlechtlicher Mensch oder auch als Elternteil eines intergeschlechtlichen Kindes oder Jugendlichen kann es bei solchen Besuchen zusätzliche Besonderheiten geben, die als schwierig, überfordernd oder auch unangenehm und verletzend erlebt werden.

Bei manchen Besuchen bei Ärzt*innen handelt es sich um Termine, die mit der körperlichen Variation zu tun haben, bei manchen geht es um andere gesundheitliche Anliegen. Doch egal, um welche Art von Besuch bei dem*r Ärzt*in es sich handelt, es kann immer zu unangenehmen oder unvorhersehbaren Situationen kommen.

Wir wollen Ihnen hier ein paar Tipps geben, die manche solcher unangenehmen Situationen erleichtern können. Entscheiden Sie selbst, welche Tipps Ihnen für welche Situation passend erscheinen:

Vorbereitet sein

  • Fragen aufschreiben
    Je nachdem, welche Art von Ärzt*innenbesuch ansteht, ist es sinnvoll, sich vorher gezielt ein paar Fragen aufzuschreiben, die Sie auf jeden Fall beantwortet haben wollen. Bei den Selbstorganisationen und in online Foren können Sie sich informieren, welche Fragen bei Ihrem Termin wichtig sein könnten und welche Art der Untersuchung Sie möglicherweise erwartet.
  • Antworten vorbereiten
    Vor allem bei Routinebesuchen oder auch bei Hausärzt*innenterminen kann es hilfreich sein, sich auf manche Fragen bereits im Voraus Antworten zu überlegen. Denn je nachdem, wie das Geschlecht auf der Krankenkassenkarte gekennzeichnet ist, werden manche Dinge vorausgesetzt, die bei Ihrem Körper bzw. dem Ihres Kindes nicht unbedingt so sein müssen. Vorformulierte Antworten auf manche Fragen zu haben, kann dabei helfen, dass Sie in diesen Situationen nicht verunsichert werden und Sie die Kontrolle über das Gespräch behalten. Hier hilft der Austausch mit Anderen über Erfahrungen und Hilfen.

Emotionale Unterstützung

  • Vertrauensperson mitnehmen
    Emotionale Unterstützung ist wichtig. Es hilft beispielsweise, eine Vertrauensperson an der Seite zu haben, mit der Sie sich sicher und geborgen fühlen. Wichtig ist auch, dass sich zwei Personen oftmals besser an alles erinnern können, was von Seiten des* der Mediziner*in gesagt wurde.
  • Sensorische Ablenkung
    Sensorische Ablenkung kann Angst mindern, denn sie lenkt den Fokus weg von Ängsten oder gar aufsteigender Panik auf etwas Anderes, Angenehmes. Sensorische Ablenkung kann praktisch bedeuten, dass man sich eine Playlist mit den Lieblingsliedern für den Wartebereich macht, oder dass man sich Videos im Internet anschaut. Anderen hilft möglicherweise, eine besonders gutriechende Handcreme oder ein Aromaöl zu benutzen oder einen Schluck kaltes Wasser zu trinken.
    Auch sogenannte Achtsamkeitsübungen können bei aufsteigender Angst helfen.
  • After-Care/Eigene Nachsorge
    Nach einem anstrengenden und vielleicht unangenehmen Ärzt*innenbesuch ist es hilfreich, sich selbst etwas Gutes zu tun, oder den Austausch mit Anderen in Selbsthilfestrukturen zu suchen. Manchmal hilft schon ein leckeres Eis zu essen oder ein tolles Buch zu lesen und/oder mit Freund*innen zu reden.

Im Gespräch mit Ärzt*innen

  • Beanspruchen Sie Zeit für ihre Fragen
    Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie nach, was Sie bei Ihrem Besuch in der Praxis oder Klinik erwartet und fragen Sie auch ruhig nach dem Grund und dem Ablauf für bestimmte Untersuchungen. Auch Fragen danach, was Befunde bedeuten, sollten gestellt werden, um einerseits sicher zu gehen, dass alles was passiert, im eigenen Sinne ist und selbstverständlich auch, um den eigenen Körper bzw. den des Kindes besser kennenzulernen.
  • Fachbegriffe erklären lassen
    Wenn Fachbegriffe unklar sind, lassen Sie sich diese erklären. Sie haben das Recht, nicht nur zu wissen, was der*die Ärzt*in sagt, sondern auch, es zu verstehen. Dies gilt auch für alle Behandlungen oder therapeutischen Maßnahmen, vor allem, wenn in den Körper eingegriffen werden soll (z. B. durch eine OP), also bei invasiven Maßnahmen.
  • Kopie der Akte mitnehmen
    Fragen Sie vor allem bei Ärzt*innenbesuchen, die die Intergeschlechtlichkeit betreffen, nach Kopien der Krankenakte. So haben Sie die Daten immer zur Hand, wenn Sie den*die Ärzt*in wechseln oder nochmal etwas nachlesen möchten.

Auch wenn Sie medizinisch in guten Händen sind, kommt es oft vor, dass Sie die*der Expert*in für Ihre Intergeschlechtlichkeit oder die Ihres Kindes sind. Es kann frustrierend sein, wenn man selbst mehr über Intergeschlechtlichkeit weiß als der*die Ärzt*in. Aber Sie können Ihr Wissen teilen. Es kann zum Beispiel sinnvoll sein, einfach mal eine Broschüre mitzunehmen oder diese Internetseite zu empfehlen. So kann sich der*die Ärzt*in selbst informieren. Und auch bei diesem Anliegen kann der Austausch mit anderen Expert*innen, beispielsweise aus der Selbstorganisation, helfen.

Ärzt*innen können manchmal einschüchternd sein. Wenn Sie sich über Ihre Rechte informieren wollen, schauen Sie einfach nochmal hier nach.

Zudem kommt es immer noch vor, dass Operationen am Genital ärztlich empfohlen werden, die gesundheitlich nicht notwendig sind. Diese Operationen an Kleinkindern sind mittlerweile als Menschenrechtsverletzung von der UN anerkannt und wurden 2021 in Deutschland auch gesetzlich verboten.

Das Wichtigste bei Ärzt*innenbesuchen ist, dass Sie sich gut betreut fühlen und in Ihren Anliegen unterstützt werden. Der*Die Ärzt*in sind dafür da, dass es Ihnen bzw. Ihrem Kind gut geht!